by: audra woehle

berlin, 1991

     Alles ist immer noch an seinem Platz. Mein Zuhause steht auf der gleichen Straße wie immer. Mein Bett steht an der gleichen Wand. Nichts scheint verschwunden zu sein. Meine Kleidung, meine Bücher, mein Spielzeug aus meiner Kindheit, alles ist hier. Aber irgendwie fühlen sie sich wie Relikte an. Zuhause bin ich wie ein Tourist in einem Museum für Antiquitäten aus dem Osten.

    Fühlen wie ein Ausstellungsstück ist nicht gerade neu. Ich erinnere mich, wie die Leute aus dem Westen und überall von den Aussichtsplattformen guckten. Manchmal riefen sie, manchmal winkten sie und manchmal schauten sie einfach zu. Jetzt gibt es keinen Grund für die Aussichtsplattformen, weil man hin und her gehen kann. Mehr und mehr ist die Mauer nur noch Schutt—die Mauer, die einst hoch stand und eine Stadt teilte. Die Mauer, die uns einst einsperren sollte. Die Mauer, vor der Kennedy stand, als er “Ich bin ein Berliner” sagte. Es gibt keine echte Barriere jetzt. Die Wachen bleiben als Formalität dort stationiert, aber in Wirklichkeit sind sie nur dazu da, um sich mit betrunkenen Besuchern fotografieren zu lassen. Manche Touristen nehmen Stücke der Mauer als kleine Andenken mit, um sie Freunden und Familie zu zeigen. Die Mauer war nie ein glücklicher Blick für mich, aber während sie Stück für Stück zerbröckelte, spüre ich den Verlust meines Kindheits und meiner Heimat.

    Beim Durchstöbern meiner alten DDR-Artefakte fand ich mein altes Halstuch und auch meine Kappe von der Pionierorganisation. Ich vermisse meine Freunde, die ich da fand. Ich habe auch mein Kassettensammlung gefunden. Einst fühlte ich mich rebellisch, weil ich Musik aus dem Westen sammelte und genoss.

Die Mauer war mein ganzes Leben bis vor ein paar Jahren. Die DDR und Ost-Berlin existieren fast das ganze Leben meiner Eltern. Sie kannten die Welt von Geröll und den Marshall-Plan. Aber seit ich geboren war, haben die Mauer und Grenzen der DDR mich eingegrenzt, wie die Armen eines beherrschenden Elternteils. Ein Teil von man sich danach zu sehnen, frei zu sein, und ein anderes Teil findet Trost im festen Griff.

Wir sind in eine neue Welt hineingeworfen worden. Eine Welt der Filme aus Hollywood und des Einkaufens, der Produkte und des Konsums. Jetzt kommt die Zukunft. Hier muss ich mich wiederfinden. Aber wie kann ich das tun, wenn es mein zuhause nicht mehr gibt? Ich kann nach oben schauen und sehe denselben Himmel wie immer—aber trotzdem ist alles anders. Die Heimat meiner Kindheit ist weg.

Dennoch ist diese Erinnerung etwas Besonderes für mich. Bestimmte Dinge— Spreewaldgurken oder kleine Stücke der Mauer—können Relikte der Vergangenheit bleiben, aber ich habe durch die letzten Jahre der DDR gelebt. Durch die Guten, die Schlechten und die Wohlmeinenden lebt die Heimat meiner Kindheit in meinem Herzen, obwohl sie nicht mehr existiert.